WIE KOMMT DAS GUTE IN DIE WELT Komödie von Ulf Stengl Thomas Sessler Verlag Wien Sechs Personen diskutieren über die grundlegendste Frage zwischenmenschlichen Handelns: Was ist gut? Das Feld ist weit: Gibt es einen verlässlichen Wertekanon, auf den sich alle berufen können? Ist man schon gut, wenn man Idealist ist? Darfst du mich verlassen? Und wer von uns muss was zu trinken holen? Aus der Leidenschaft der Auseinandersetzung und dem Wechsel zwischen theoretischem Ansatz und konkreter Situation bezieht das Stück seine Spannung. Aus den Thesen, den Reaktionen darauf oder deren Ausbleiben eröffnen sich uns die Charaktere, die Verhältnisse untereinander, die Emotionen hinter den Worten. In der Hitze des Disputs tritt die Frage, welchen Geschlechts, Alters, welcher Herkunft die Figuren sind, in den Hintergrund. Der Text lässt sie unbeantwortet. Sie wird mit jeder Besetzung neu gelöst werden. Und jede Lösung ergibt ein neues Stück. „Wie kommt das Gute in die Welt“ feiert das kluge Gespräch, die Erotik des scharfsinnigen Arguments, den Witz, die Schlagfertigkeit und nicht zuletzt ein Fest der Freundschaft. GAMMA Wissen Sie, was mich aufregt? Was mich echt – wahnsinnig! Ich benutze eine bestimmte Fluglinie. Ja? Regelmäßig. EPSILON Muss das jetzt - GAMMA Eine andere fliegt da nämlich nicht auf der Strecke. Egal. Jedenfalls habe ich mir über die Jahre beim Check-in immer einen Gangplatz ausgesucht. Alle anderen Plätze - Das beengt mich, so eingepfercht – Ich mag das nicht. Es werden ja auch die Sitzreihen immer schmaler. Immer enger. Weiß gar nicht, wie ein ausgewachsener Mann – man passt da gar nicht rein. Mit so Igelbeinchen vielleicht. Aber das nur nebenbei. Wenn ich jetzt online ein Flugticket bestelle, ist es so, dass man erst mal einen Platz zugewiesen bekommt, und wenn einem der nicht passt, kann man sich gegen eine Gebühr einen anderen aussuchen. ZETA Ist doch in Ordnung. GAMMA Ja, sicher. Dachte ich auch. Zahle ich eben. Aber jetzt erklären Sie mir Folgendes: Jedes Mal, wenn ich ein Ticket buche, ja? Jedes Mal bekomme ich „zufällig“ einen Fensterplatz zugewiesen. ZETA Na ja. Die wissen ja, dass Sie lieber am Gang sitzen. Haben Sie ja oft genug klar gemacht. GAMMA Sehen Sie? Sehen Sie? Ist das nicht eine Schweinerei? ZETA Was regt Sie so auf? Sie wollen einen anderen Platz, Sie kriegen ihn. GAMMA Nein, nein, nein. Es gibt genug Leute, die gerne am Fenster sitzen. Man müsste sie nur ihren Vorlieben entsprechend verteilen. Mit demselben Algorithmus, der mich auf den falschen Platz setzt, könnte man mich ebenso gut auf den richtigen setzen. Ich zahle also nicht etwa extra, um in den Genuss eines Privilegs zu kommen. Eines Vorzugs, der einen Mehraufwand auf Seiten der Fluggesellschaft bedeutet und finanziell ausgeglichen werden muss. Die Sonderleistung dieser Drecksäue besteht einzig darin, mich extra auf den Platz zu setzen, der mir Panik und Unwohlsein verursacht. Und dann fordern sie Geld von mir, um mich von meinen Qualen zu erlösen. Ich soll zahlen, damit mir keine Schmerzen zugefügt werden. Das ist Erpressung. Wegelagerei. Nichts anderes. Und das. Genau das ist für mich zutiefst unmoralisch. Genau das. GAMMA Also. Am Anfang gab es nur die reflexhafte Befriedigung jedes aufkommenden Bedürfnisses. Oder die Erfüllung eines unbewussten Auftrags, eines dunklen Triebes. Der Stärkste setzt sich durch. Es geht ums nackte Überleben und das rücksichtslose Verbreiten der eigenen Erbinformation. Das ist alles. Gut und schlecht existieren nicht. EPSILON Glaub ich schon nicht. GAMMA Mir reicht’s. EPSILON Gut und Schlecht existieren nicht? Nein. GAMMA Ich mag nicht mehr. ALPHA Jetzt lass dich doch nicht gleich unterkriegen. GAMMA Was soll das? Ich versuche einen Gedanken zu entwickeln und - EPSILON Die konnten doch zwischen einer zarten oder einer zähen Mammutkeule unterscheiden. Selbst als Neandertaler. Oder einem nassen oder trockenen Erdloch. Oder einem guten und einem schlechten Fick von mir aus. Das gab‘s doch immer. GAMMA Darum geht es jetzt aber nicht, verdammt noch mal! DELTA Sondern? Wissen wir, worum es geht? GAMMA Na um - Es geht um - Scheiße, jetzt habe ich den Faden verloren! BETA Solidarität. Um Solidarität. GAMMA Was? BETA Es geht um Allgemeinsinn. GAMMA Ach so? BETA Irgendwann muss das angefangen haben. Irgendwann hat sich das Allgemeinwohl als Wert gegen das individuelle Wohl durchgesetzt. Und auch der Starke hat begonnen, seine eigenen Bedürfnisse zurückzunehmen, hintanzustellen gegenüber den Interessen der anderen. Genau das ist die Grundlage von Zivilisation. Oder? Das Entwickeln von Rechten, die der Schwächere gegen den Stärkeren geltend machen kann. GAMMA Ja! Weil auch der Stärkste dann und wann wen zum Aufpassen braucht. Wenn er sich hinhockt oder - EPSILON Beim Kacken? Das kann er nicht alleine? GAMMA Übersicht. Er verliert die Übersicht. EPSILON Soll er sich auf einen Hügel hocken. Oder einen Baum. GAMMA In der Steppe? EPSILON Welche Steppe? DELTA Ich glaube kaum, dass der Stuhlgang des Stärksten die Wiege der Zivilisation darstellt.
WIE KOMMT DAS GUTE IN DIE WELT Komödie von Ulf Stengl Thomas Sessler Verlag Wien Sechs Personen diskutieren über die grundlegendste Frage zwischenmenschlichen Handelns: Was ist gut? Das Feld ist weit: Gibt es einen verlässlichen Wertekanon, auf den sich alle berufen können? Ist man schon gut, wenn man Idealist ist? Darfst du mich verlassen? Und wer von uns muss was zu trinken holen? Aus der Leidenschaft der Auseinandersetzung und dem Wechsel zwischen theoretischem Ansatz und konkreter Situation bezieht das Stück seine Spannung. Aus den Thesen, den Reaktionen darauf oder deren Ausbleiben eröffnen sich uns die Charaktere, die Verhältnisse untereinander, die Emotionen hinter den Worten. In der Hitze des Disputs tritt die Frage, welchen Geschlechts, Alters, welcher Herkunft die Figuren sind, in den Hintergrund. Der Text lässt sie unbeantwortet. Sie wird mit jeder Besetzung neu gelöst werden. Und jede Lösung ergibt ein neues Stück. „Wie kommt das Gute in die Welt“ feiert das kluge Gespräch, die Erotik des scharfsinnigen Arguments, den Witz, die Schlagfertigkeit und nicht zuletzt ein Fest der Freundschaft. GAMMA Wissen Sie, was mich aufregt? Was mich echt – wahnsinnig! Ich benutze eine bestimmte Fluglinie. Ja? Regelmäßig. EPSILON Muss das jetzt - GAMMA Eine andere fliegt da nämlich nicht auf der Strecke. Egal. Jedenfalls habe ich mir über die Jahre beim Check-in immer einen Gangplatz ausgesucht. Alle anderen Plätze - Das beengt mich, so eingepfercht – Ich mag das nicht. Es werden ja auch die Sitzreihen immer schmaler. Immer enger. Weiß gar nicht, wie ein ausgewachsener Mann – man passt da gar nicht rein. Mit so Igelbeinchen vielleicht. Aber das nur nebenbei. Wenn ich jetzt online ein Flugticket bestelle, ist es so, dass man erst mal einen Platz zugewiesen bekommt, und wenn einem der nicht passt, kann man sich gegen eine Gebühr einen anderen aussuchen. ZETA Ist doch in Ordnung. GAMMA Ja, sicher. Dachte ich auch. Zahle ich eben. Aber jetzt erklären Sie mir Folgendes: Jedes Mal, wenn ich ein Ticket buche, ja? Jedes Mal bekomme ich „zufällig“ einen Fensterplatz zugewiesen. ZETA Na ja. Die wissen ja, dass Sie lieber am Gang sitzen. Haben Sie ja oft genug klar gemacht. GAMMA Sehen Sie? Sehen Sie? Ist das nicht eine Schweinerei? ZETA Was regt Sie so auf? Sie wollen einen anderen Platz, Sie kriegen ihn. GAMMA Nein, nein, nein. Es gibt genug Leute, die gerne am Fenster sitzen. Man müsste sie nur ihren Vorlieben entsprechend verteilen. Mit demselben Algorithmus, der mich auf den falschen Platz setzt, könnte man mich ebenso gut auf den richtigen setzen. Ich zahle also nicht etwa extra, um in den Genuss eines Privilegs zu kommen. Eines Vorzugs, der einen Mehraufwand auf Seiten der Fluggesellschaft bedeutet und finanziell ausgeglichen werden muss. Die Sonderleistung dieser Drecksäue besteht einzig darin, mich extra auf den Platz zu setzen, der mir Panik und Unwohlsein verursacht. Und dann fordern sie Geld von mir, um mich von meinen Qualen zu erlösen. Ich soll zahlen, damit mir keine Schmerzen zugefügt werden. Das ist Erpressung. Wegelagerei. Nichts anderes. Und das. Genau das ist für mich zutiefst unmoralisch. Genau das. GAMMA Also. Am Anfang gab es nur die reflexhafte Befriedigung jedes aufkommenden Bedürfnisses. Oder die Erfüllung eines unbewussten Auftrags, eines dunklen Triebes. Der Stärkste setzt sich durch. Es geht ums nackte Überleben und das rücksichtslose Verbreiten der eigenen Erbinformation. Das ist alles. Gut und schlecht existieren nicht. EPSILON Glaub ich schon nicht. GAMMA Mir reicht’s. EPSILON Gut und Schlecht existieren nicht? Nein. GAMMA Ich mag nicht mehr. ALPHA Jetzt lass dich doch nicht gleich unterkriegen. GAMMA Was soll das? Ich versuche einen Gedanken zu entwickeln und - EPSILON Die konnten doch zwischen einer zarten oder einer zähen Mammutkeule unterscheiden. Selbst als Neandertaler. Oder einem nassen oder trockenen Erdloch. Oder einem guten und einem schlechten Fick von mir aus. Das gab‘s doch immer. GAMMA Darum geht es jetzt aber nicht, verdammt noch mal! DELTA Sondern? Wissen wir, worum es geht? GAMMA Na um - Es geht um - Scheiße, jetzt habe ich den Faden verloren! BETA Solidarität. Um Solidarität. GAMMA Was? BETA Es geht um Allgemeinsinn. GAMMA Ach so? BETA Irgendwann muss das angefangen haben. Irgendwann hat sich das Allgemeinwohl als Wert gegen das individuelle Wohl durchgesetzt. Und auch der Starke hat begonnen, seine eigenen Bedürfnisse zurückzunehmen, hintanzustellen gegenüber den Interessen der anderen. Genau das ist die Grundlage von Zivilisation. Oder? Das Entwickeln von Rechten, die der Schwächere gegen den Stärkeren geltend machen kann. GAMMA Ja! Weil auch der Stärkste dann und wann wen zum Aufpassen braucht. Wenn er sich hinhockt oder - EPSILON Beim Kacken? Das kann er nicht alleine? GAMMA Übersicht. Er verliert die Übersicht. EPSILON Soll er sich auf einen Hügel hocken. Oder einen Baum. GAMMA In der Steppe? EPSILON Welche Steppe? DELTA Ich glaube kaum, dass der Stuhlgang des Stärksten die Wiege der Zivilisation darstellt.
WIE KOMMT DAS GUTE IN DIE WELT Komödie von Ulf Stengl Thomas Sessler Verlag Wien Sechs Personen diskutieren über die grundlegendste Frage zwischenmenschlichen Handelns: Was ist gut? Das Feld ist weit: Gibt es einen verlässlichen Wertekanon, auf den sich alle berufen können? Ist man schon gut, wenn man Idealist ist? Darfst du mich verlassen? Und wer von uns muss was zu trinken holen? Aus der Leidenschaft der Auseinandersetzung und dem Wechsel zwischen theoretischem Ansatz und konkreter Situation bezieht das Stück seine Spannung. Aus den Thesen, den Reaktionen darauf oder deren Ausbleiben eröffnen sich uns die Charaktere, die Verhältnisse untereinander, die Emotionen hinter den Worten. In der Hitze des Disputs tritt die Frage, welchen Geschlechts, Alters, welcher Herkunft die Figuren sind, in den Hintergrund. Der Text lässt sie unbeantwortet. Sie wird mit jeder Besetzung neu gelöst werden. Und jede Lösung ergibt ein neues Stück. „Wie kommt das Gute in die Welt“ feiert das kluge Gespräch, die Erotik des scharfsinnigen Arguments, den Witz, die Schlagfertigkeit und nicht zuletzt ein Fest der Freundschaft. GAMMA Wissen Sie, was mich aufregt? Was mich echt – wahnsinnig! Ich benutze eine bestimmte Fluglinie. Ja? Regelmäßig. EPSILON Muss das jetzt - GAMMA Eine andere fliegt da nämlich nicht auf der Strecke. Egal. Jedenfalls habe ich mir über die Jahre beim Check-in immer einen Gangplatz ausgesucht. Alle anderen Plätze - Das beengt mich, so eingepfercht – Ich mag das nicht. Es werden ja auch die Sitzreihen immer schmaler. Immer enger. Weiß gar nicht, wie ein ausgewachsener Mann – man passt da gar nicht rein. Mit so Igelbeinchen vielleicht. Aber das nur nebenbei. Wenn ich jetzt online ein Flugticket bestelle, ist es so, dass man erst mal einen Platz zugewiesen bekommt, und wenn einem der nicht passt, kann man sich gegen eine Gebühr einen anderen aussuchen. ZETA Ist doch in Ordnung. GAMMA Ja, sicher. Dachte ich auch. Zahle ich eben. Aber jetzt erklären Sie mir Folgendes: Jedes Mal, wenn ich ein Ticket buche, ja? Jedes Mal bekomme ich „zufällig“ einen Fensterplatz zugewiesen. ZETA Na ja. Die wissen ja, dass Sie lieber am Gang sitzen. Haben Sie ja oft genug klar gemacht. GAMMA Sehen Sie? Sehen Sie? Ist das nicht eine Schweinerei? ZETA Was regt Sie so auf? Sie wollen einen anderen Platz, Sie kriegen ihn. GAMMA Nein, nein, nein. Es gibt genug Leute, die gerne am Fenster sitzen. Man müsste sie nur ihren Vorlieben entsprechend verteilen. Mit demselben Algorithmus, der mich auf den falschen Platz setzt, könnte man mich ebenso gut auf den richtigen setzen. Ich zahle also nicht etwa extra, um in den Genuss eines Privilegs zu kommen. Eines Vorzugs, der einen Mehraufwand auf Seiten der Fluggesellschaft bedeutet und finanziell ausgeglichen werden muss. Die Sonderleistung dieser Drecksäue besteht einzig darin, mich extra auf den Platz zu setzen, der mir Panik und Unwohlsein verursacht. Und dann fordern sie Geld von mir, um mich von meinen Qualen zu erlösen. Ich soll zahlen, damit mir keine Schmerzen zugefügt werden. Das ist Erpressung. Wegelagerei. Nichts anderes. Und das. Genau das ist für mich zutiefst unmoralisch. Genau das. GAMMA Also. Am Anfang gab es nur die reflexhafte Befriedigung jedes aufkommenden Bedürfnisses. Oder die Erfüllung eines unbewussten Auftrags, eines dunklen Triebes. Der Stärkste setzt sich durch. Es geht ums nackte Überleben und das rücksichtslose Verbreiten der eigenen Erbinformation. Das ist alles. Gut und schlecht existieren nicht. EPSILON Glaub ich schon nicht. GAMMA Mir reicht’s. EPSILON Gut und Schlecht existieren nicht? Nein. GAMMA Ich mag nicht mehr. ALPHA Jetzt lass dich doch nicht gleich unterkriegen. GAMMA Was soll das? 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Weil auch der Stärkste dann und wann wen zum Aufpassen braucht. Wenn er sich hinhockt oder - EPSILON Beim Kacken? Das kann er nicht alleine? GAMMA Übersicht. Er verliert die Übersicht. EPSILON Soll er sich auf einen Hügel hocken. Oder einen Baum. GAMMA In der Steppe? EPSILON Welche Steppe? DELTA Ich glaube kaum, dass der Stuhlgang des Stärksten die Wiege der Zivilisation darstellt.
WIE KOMMT DAS GUTE IN DIE WELT Komödie von Ulf Stengl Thomas Sessler Verlag Wien Sechs Personen diskutieren über die grundlegendste Frage zwischenmenschlichen Handelns: Was ist gut? Das Feld ist weit: Gibt es einen verlässlichen Wertekanon, auf den sich alle berufen können? Ist man schon gut, wenn man Idealist ist? Darfst du mich verlassen? Und wer von uns muss was zu trinken holen? Aus der Leidenschaft der Auseinandersetzung und dem Wechsel zwischen theoretischem Ansatz und konkreter Situation bezieht das Stück seine Spannung. Aus den Thesen, den Reaktionen darauf oder deren Ausbleiben eröffnen sich uns die Charaktere, die Verhältnisse untereinander, die Emotionen hinter den Worten. In der Hitze des Disputs tritt die Frage, welchen Geschlechts, Alters, welcher Herkunft die Figuren sind, in den Hintergrund. Der Text lässt sie unbeantwortet. Sie wird mit jeder Besetzung neu gelöst werden. 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ZETA Ist doch in Ordnung. GAMMA Ja, sicher. Dachte ich auch. Zahle ich eben. Aber jetzt erklären Sie mir Folgendes: Jedes Mal, wenn ich ein Ticket buche, ja? Jedes Mal bekomme ich „zufällig“ einen Fensterplatz zugewiesen. ZETA Na ja. Die wissen ja, dass Sie lieber am Gang sitzen. Haben Sie ja oft genug klar gemacht. GAMMA Sehen Sie? Sehen Sie? Ist das nicht eine Schweinerei? ZETA Was regt Sie so auf? Sie wollen einen anderen Platz, Sie kriegen ihn. GAMMA Nein, nein, nein. Es gibt genug Leute, die gerne am Fenster sitzen. Man müsste sie nur ihren Vorlieben entsprechend verteilen. Mit demselben Algorithmus, der mich auf den falschen Platz setzt, könnte man mich ebenso gut auf den richtigen setzen. Ich zahle also nicht etwa extra, um in den Genuss eines Privilegs zu kommen. Eines Vorzugs, der einen Mehraufwand auf Seiten der Fluggesellschaft bedeutet und finanziell ausgeglichen werden muss. 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Weil auch der Stärkste dann und wann wen zum Aufpassen braucht. Wenn er sich hinhockt oder - EPSILON Beim Kacken? Das kann er nicht alleine? GAMMA Übersicht. Er verliert die Übersicht. EPSILON Soll er sich auf einen Hügel hocken. Oder einen Baum. GAMMA In der Steppe? EPSILON Welche Steppe? DELTA Ich glaube kaum, dass der Stuhlgang des Stärksten die Wiege der Zivilisation darstellt.
WIE KOMMT DAS GUTE IN DIE WELT Komödie von Ulf Stengl Thomas Sessler Verlag Wien Sechs Personen diskutieren über die grundlegendste Frage zwischenmenschlichen Handelns: Was ist gut? Das Feld ist weit: Gibt es einen verlässlichen Wertekanon, auf den sich alle berufen können? Ist man schon gut, wenn man Idealist ist? Darfst du mich verlassen? Und wer von uns muss was zu trinken holen? Aus der Leidenschaft der Auseinandersetzung und dem Wechsel zwischen theoretischem Ansatz und konkreter Situation bezieht das Stück seine Spannung. Aus den Thesen, den Reaktionen darauf oder deren Ausbleiben eröffnen sich uns die Charaktere, die Verhältnisse untereinander, die Emotionen hinter den Worten. In der Hitze des Disputs tritt die Frage, welchen Geschlechts, Alters, welcher Herkunft die Figuren sind, in den Hintergrund. Der Text lässt sie unbeantwortet. Sie wird mit jeder Besetzung neu gelöst werden. Und jede Lösung ergibt ein neues Stück. „Wie kommt das Gute in die Welt“ feiert das kluge Gespräch, die Erotik des scharfsinnigen Arguments, den Witz, die Schlagfertigkeit und nicht zuletzt ein Fest der Freundschaft. GAMMA Wissen Sie, was mich aufregt? Was mich echt – wahnsinnig! Ich benutze eine bestimmte Fluglinie. Ja? Regelmäßig. EPSILON Muss das jetzt - GAMMA Eine andere fliegt da nämlich nicht auf der Strecke. Egal. Jedenfalls habe ich mir über die Jahre beim Check-in immer einen Gangplatz ausgesucht. Alle anderen Plätze - Das beengt mich, so eingepfercht – Ich mag das nicht. Es werden ja auch die Sitzreihen immer schmaler. Immer enger. Weiß gar nicht, wie ein ausgewachsener Mann – man passt da gar nicht rein. Mit so Igelbeinchen vielleicht. Aber das nur nebenbei. Wenn ich jetzt online ein Flugticket bestelle, ist es so, dass man erst mal einen Platz zugewiesen bekommt, und wenn einem der nicht passt, kann man sich gegen eine Gebühr einen anderen aussuchen. ZETA Ist doch in Ordnung. GAMMA Ja, sicher. Dachte ich auch. Zahle ich eben. Aber jetzt erklären Sie mir Folgendes: Jedes Mal, wenn ich ein Ticket buche, ja? Jedes Mal bekomme ich „zufällig“ einen Fensterplatz zugewiesen. ZETA Na ja. Die wissen ja, dass Sie lieber am Gang sitzen. Haben Sie ja oft genug klar gemacht. GAMMA Sehen Sie? Sehen Sie? Ist das nicht eine Schweinerei? ZETA Was regt Sie so auf? Sie wollen einen anderen Platz, Sie kriegen ihn. GAMMA Nein, nein, nein. Es gibt genug Leute, die gerne am Fenster sitzen. Man müsste sie nur ihren Vorlieben entsprechend verteilen. Mit demselben Algorithmus, der mich auf den falschen Platz setzt, könnte man mich ebenso gut auf den richtigen setzen. Ich zahle also nicht etwa extra, um in den Genuss eines Privilegs zu kommen. Eines Vorzugs, der einen Mehraufwand auf Seiten der Fluggesellschaft bedeutet und finanziell ausgeglichen werden muss. Die Sonderleistung dieser Drecksäue besteht einzig darin, mich extra auf den Platz zu setzen, der mir Panik und Unwohlsein verursacht. Und dann fordern sie Geld von mir, um mich von meinen Qualen zu erlösen. Ich soll zahlen, damit mir keine Schmerzen zugefügt werden. Das ist Erpressung. Wegelagerei. Nichts anderes. Und das. Genau das ist für mich zutiefst unmoralisch. Genau das. GAMMA Also. Am Anfang gab es nur die reflexhafte Befriedigung jedes aufkommenden Bedürfnisses. Oder die Erfüllung eines unbewussten Auftrags, eines dunklen Triebes. Der Stärkste setzt sich durch. Es geht ums nackte Überleben und das rücksichtslose Verbreiten der eigenen Erbinformation. Das ist alles. Gut und schlecht existieren nicht. EPSILON Glaub ich schon nicht. GAMMA Mir reicht’s. EPSILON Gut und Schlecht existieren nicht? Nein. GAMMA Ich mag nicht mehr. ALPHA Jetzt lass dich doch nicht gleich unterkriegen. GAMMA Was soll das? Ich versuche einen Gedanken zu entwickeln und - EPSILON Die konnten doch zwischen einer zarten oder einer zähen Mammutkeule unterscheiden. Selbst als Neandertaler. Oder einem nassen oder trockenen Erdloch. Oder einem guten und einem schlechten Fick von mir aus. Das gab‘s doch immer. GAMMA Darum geht es jetzt aber nicht, verdammt noch mal! DELTA Sondern? Wissen wir, worum es geht? GAMMA Na um - Es geht um - Scheiße, jetzt habe ich den Faden verloren! BETA Solidarität. Um Solidarität. GAMMA Was? BETA Es geht um Allgemeinsinn. GAMMA Ach so? BETA Irgendwann muss das angefangen haben. Irgendwann hat sich das Allgemeinwohl als Wert gegen das individuelle Wohl durchgesetzt. Und auch der Starke hat begonnen, seine eigenen Bedürfnisse zurückzunehmen, hintanzustellen gegenüber den Interessen der anderen. Genau das ist die Grundlage von Zivilisation. Oder? Das Entwickeln von Rechten, die der Schwächere gegen den Stärkeren geltend machen kann. GAMMA Ja! 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WIE KOMMT DAS GUTE IN DIE WELT Komödie von Ulf Stengl Thomas Sessler Verlag Wien Sechs Personen diskutieren über die grundlegendste Frage zwischenmenschlichen Handelns: Was ist gut? Das Feld ist weit: Gibt es einen verlässlichen Wertekanon, auf den sich alle berufen können? Ist man schon gut, wenn man Idealist ist? Darfst du mich verlassen? Und wer von uns muss was zu trinken holen? Aus der Leidenschaft der Auseinandersetzung und dem Wechsel zwischen theoretischem Ansatz und konkreter Situation bezieht das Stück seine Spannung. Aus den Thesen, den Reaktionen darauf oder deren Ausbleiben eröffnen sich uns die Charaktere, die Verhältnisse untereinander, die Emotionen hinter den Worten. In der Hitze des Disputs tritt die Frage, welchen Geschlechts, Alters, welcher Herkunft die Figuren sind, in den Hintergrund. Der Text lässt sie unbeantwortet. Sie wird mit jeder Besetzung neu gelöst werden. 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WIE KOMMT DAS GUTE IN DIE WELT Komödie von Ulf Stengl Thomas Sessler Verlag Wien Sechs Personen diskutieren über die grundlegendste Frage zwischenmenschlichen Handelns: Was ist gut? Das Feld ist weit: Gibt es einen verlässlichen Wertekanon, auf den sich alle berufen können? Ist man schon gut, wenn man Idealist ist? Darfst du mich verlassen? Und wer von uns muss was zu trinken holen? Aus der Leidenschaft der Auseinandersetzung und dem Wechsel zwischen theoretischem Ansatz und konkreter Situation bezieht das Stück seine Spannung. Aus den Thesen, den Reaktionen darauf oder deren Ausbleiben eröffnen sich uns die Charaktere, die Verhältnisse untereinander, die Emotionen hinter den Worten. In der Hitze des Disputs tritt die Frage, welchen Geschlechts, Alters, welcher Herkunft die Figuren sind, in den Hintergrund. Der Text lässt sie unbeantwortet. Sie wird mit jeder Besetzung neu gelöst werden. 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ZETA Ist doch in Ordnung. GAMMA Ja, sicher. Dachte ich auch. Zahle ich eben. Aber jetzt erklären Sie mir Folgendes: Jedes Mal, wenn ich ein Ticket buche, ja? Jedes Mal bekomme ich „zufällig“ einen Fensterplatz zugewiesen. ZETA Na ja. Die wissen ja, dass Sie lieber am Gang sitzen. Haben Sie ja oft genug klar gemacht. GAMMA Sehen Sie? Sehen Sie? Ist das nicht eine Schweinerei? ZETA Was regt Sie so auf? Sie wollen einen anderen Platz, Sie kriegen ihn. GAMMA Nein, nein, nein. Es gibt genug Leute, die gerne am Fenster sitzen. Man müsste sie nur ihren Vorlieben entsprechend verteilen. Mit demselben Algorithmus, der mich auf den falschen Platz setzt, könnte man mich ebenso gut auf den richtigen setzen. Ich zahle also nicht etwa extra, um in den Genuss eines Privilegs zu kommen. Eines Vorzugs, der einen Mehraufwand auf Seiten der Fluggesellschaft bedeutet und finanziell ausgeglichen werden muss. Die Sonderleistung dieser Drecksäue besteht einzig darin, mich extra auf den Platz zu setzen, der mir Panik und Unwohlsein verursacht. Und dann fordern sie Geld von mir, um mich von meinen Qualen zu erlösen. Ich soll zahlen, damit mir keine Schmerzen zugefügt werden. Das ist Erpressung. Wegelagerei. Nichts anderes. Und das. Genau das ist für mich zutiefst unmoralisch. Genau das. GAMMA Also. Am Anfang gab es nur die reflexhafte Befriedigung jedes aufkommenden Bedürfnisses. Oder die Erfüllung eines unbewussten Auftrags, eines dunklen Triebes. Der Stärkste setzt sich durch. Es geht ums nackte Überleben und das rücksichtslose Verbreiten der eigenen Erbinformation. Das ist alles. Gut und schlecht existieren nicht. EPSILON Glaub ich schon nicht. GAMMA Mir reicht’s. EPSILON Gut und Schlecht existieren nicht? Nein. GAMMA Ich mag nicht mehr. ALPHA Jetzt lass dich doch nicht gleich unterkriegen. GAMMA Was soll das? Ich versuche einen Gedanken zu entwickeln und - EPSILON Die konnten doch zwischen einer zarten oder einer zähen Mammutkeule unterscheiden. Selbst als Neandertaler. Oder einem nassen oder trockenen Erdloch. Oder einem guten und einem schlechten Fick von mir aus. Das gab‘s doch immer. GAMMA Darum geht es jetzt aber nicht, verdammt noch mal! DELTA Sondern? Wissen wir, worum es geht? GAMMA Na um - Es geht um - Scheiße, jetzt habe ich den Faden verloren! BETA Solidarität. Um Solidarität. GAMMA Was? BETA Es geht um Allgemeinsinn. GAMMA Ach so? BETA Irgendwann muss das angefangen haben. Irgendwann hat sich das Allgemeinwohl als Wert gegen das individuelle Wohl durchgesetzt. Und auch der Starke hat begonnen, seine eigenen Bedürfnisse zurückzunehmen, hintanzustellen gegenüber den Interessen der anderen. Genau das ist die Grundlage von Zivilisation. Oder? Das Entwickeln von Rechten, die der Schwächere gegen den Stärkeren geltend machen kann. GAMMA Ja! Weil auch der Stärkste dann und wann wen zum Aufpassen braucht. Wenn er sich hinhockt oder - EPSILON Beim Kacken? Das kann er nicht alleine? GAMMA Übersicht. Er verliert die Übersicht. EPSILON Soll er sich auf einen Hügel hocken. Oder einen Baum. GAMMA In der Steppe? EPSILON Welche Steppe? DELTA Ich glaube kaum, dass der Stuhlgang des Stärksten die Wiege der Zivilisation darstellt.